Termin in Wiesbaden. Ich fahre am 6. April gemütlich und ohne besondere Vorkommnisse nach Wiesbaden. Die Rückfahrt ist für den nächsten Morgen um 8:26 Uhr geplant.
Pünktlich um 8:10 Uhr bin ich auf dem Wiesbadener Hauptbahnhof und kaufe mir am Backstand noch schnell ein Milchbrötchen auf die Hand. Frühstücken will ich im Zug, darauf hatte ich im Hotel verzichtet. Ein Fehler, der mir später nicht wieder unterlaufen wird.
Angekommen auf dem Bahnsteig begebe ich mich in den vorgesehenen Abschnitt für meinen Zustieg. Die nächsten Minuten dämmerte ich noch kurz vor mich hin und telefonierte auch noch mit meiner Kollegin im heimatlichen Büro.
Immer mal wieder ein Blick auf die Bahn-App; alles „Roger“.
8:24 Uhr Ansage: „Der ICE 1557 verkehrt heute ab Mainz Hauptbahnhof.“ Mein erster Zugausfall, und ich bin einigermaßen ratlos, was ich jetzt tun soll. Nach einer ganz kleinen Panikattacke ist mein zweiter Gedanke: Bahn-App. Diese teilt mir auch gleich den Grund des Zugausfalls mit: Verspätung aus vorheriger Fahrt.
Das ist einigermaßen verwunderlich, weil dieser ICE der erste Tages auf der Strecke Wiesbaden-Dresden ist, und der verspätete folglich der letzte des Vortages von Dresden nach Wiesbaden gewesen sein musste. Wieso kann ein Zug nicht über Nacht die paar Kilometer von Frankfurt nach Wiesbaden zurücklegen? Und warum erfahren wir das zur Abfahrtszeit und nicht schon Stunden vorher? Inzwischen weiß ich aber, das „Verspätung aus vorheriger Fahrt“ auch bedeuten kann, dass die Zugbesatzung gar nicht einsetzbar ist, weil nicht greifbar oder ohne ausreichende Pause. Die Frage über den Zeitpunkt der Weitergabe der Information kann ich mir bis heute nicht wirklich beantworten. Vermutlich arbeitet die Bahn auch mit dem Prinzip Hoffnung und glaubt bis zur letzten Sekunde an ein Wunder. (Jedenfalls ereilt mich dieses Phänomen noch an einigen anderen Tagen.)
Mit Hilfe der App ermittle ich, dass ich bei Benutzung einer Regional-Bahn auf einem Nachbargleise, meinen ICE in Frankfurt durchaus noch erreichen kann. Aber darf ich denn einfach einen anderen Zug eines anderen Betriebers (VIA) in Anspruch nehmen? Ich bewege mich zügig zum Info-Schalter, der natürlich eine längliche Schlange aufweist. Zwölf Minuten stehen mir zur Verfügung, aber ich sehe schon, dass das nichts werden kann, denn die Auskunftei ist noch im Wachkoma. Ich versuche meinem Auskunftsersuchen mit einer etwas lauter gestellten Frage Nachdruck zu verleihen, werde aber professionell ignoriert. Erst als auch andere Bahnkunden lauter werden, sieht sich der nette Beamte genötigt uns zu sagen, dass wir auch den VIA auf Gleis 9 nehmen können. Geht doch.
Gesagt getan, wenig später rollen wir Richtung Frankfurt. Es wird später und noch etwas später und es wird außerdem klar, ohne Wunder wird das nichts mit dem ICE in Frankfurt.
Beim Einrollen bleibt mir eine Minute für 8 Bahnsteige. Die Bahn ermuntert ihre Kunden zum Sport und ich nehme die Herausforderung an. In raumgreifenden, schnellen Laufschritten geht es in Richtung ICE und er steht noch da. Noch ein Stück nach vorn und ich springe in die erste passende Tür. Im Zug panische Menschen, die mit Tickets und Smartphones herumwedeln und sich gegenseitig Mut zusprechen. Ich schaue auch auf das Smartphone um Wagennummer und reservierten Sitz zu ermitteln und sehe den Grund der Aufregung: „Ein Zugteil entfällt.“ und damit Wagen 31-38 und der Speisewagen. Jetzt weiß ich, dass ich keine Bahnfahrt mehr ohne ein gutes und reichhaltiges Frühstück antreten werde. Bloß gut dass meine Fahrt über Leipzig hinaus mir außerdem einen Sitzplatz in Wagen 28 beschert hat. Natürlich hat sich da ab Mainz ein Business-Kasper das Vergnügen nicht nehmen lassen, meinen Platz schon vorzuwärmen. Er räumt den Sessel ohne Anwendung von körperlicher Gewalt und ich kann meine Heimreise in der restlichen Fahrzeit (plus 28 Minuten Verspätung) absolvieren.
Habe fertig.
