nur ein weiteres Tagebuch

Monat: November 2023

17.11.23 Rückfahrt

Diese Reise wird mir vermutlich längere Zeit in Erinnerung bleiben. Nach der Hinfahrt im Streikbeginn, war das nun die Rückfahrt am Tag nach dem Streikende. Natürlich konnte es nicht so funktionieren, wie normal. Wobei eigentlich war es doch normal. 😉

In Wiesbaden hüpfte ich in eine S-Bahn nach Frankfurt, weil die Bahn den ICE Wiesbaden-Dresden irgendwie im Herbst aus dem Programm nimmt. Keine Ahnung, ob das nun dauerhaft ist oder so wie letztes Jahre, wenn ich mich recht erinnere, nur für einen begrenzten Zeitraum. Mein ICE sollte um 14:44 Uhr in Frankfurt starten.
Die Nachwehen ahnend, machte ich mich lieber so auf den Weg, dass ich mindestens eine Stunde Reserve haben würde.
In Wiesbaden auf dem Bahnhof war dann auch deutlich mehr Leben, als am Ankunftstag. Wie erwartet, war der S-Bahn-Verkehr noch einigermaßen aus dem Takt und so nahm ich die erste S-Bahn Richtung Frankfurt. Damit sollte ich fast 50 Minuten vor Abfahrt in Frankfurt sein.
Natürlich nahm ich die Linie, die am längsten braucht, war ja klar. Und kurz nach dem Bahnhof Wiesbaden kamen wir auch schon gleich mal zum Stehen.
Das Polster war aber großzügig berechnet und so war ich zwar etwas verspätet, aber im Umsteigefenster in Frankfurt.
Wer den Frankfurter Hauptbahnhof kennt, weiss ja um die Strecke vom Tiefbahnhof (S-Bahn) zu den Bahnsteigen in der Halle. Auf Grund der Bauweise hat der Aufgang zum Bahnhof auch etwas Staupotential, wenn sich eine volle S-Bahn entlädt.
Man kann für den Umstieg auch mehr als 10 Minuten benötigen, wenn man am falschen S-Bahn-Ende sitzt und vielleicht nach Bahnsteig 24 – Abschnitt E-F muss. Mit Treppenstau auch gern noch ein paar Minuten mehr.

Ich hatte einigermaßen Glück und stand gegen kurz vor Zwei an meinem Bahnsteig. An der Tafel stand allerdings noch ein Zug nach „Irgendwo“ mit Abfahrtszeit 14:06 Uhr. Kann ja mal passieren. Er kam irgendwann und fuhr auch wieder ab. Da war es dann aber auch schon 14:40 Uhr. Okay, das würde wieder etwas später losgehen.
14:50 Uhr hielt wieder ein ICE am Bahnsteig , aber wieder nicht meiner. Durchsage: Mein ICE würde etwa 20 Minuten später abfahren.

Hab ich es nicht gesagt?! Grund der Verspätung: Eine behördliche Maßnahme. Was ist das denn?
Dann fuhr der falsche ICE wieder ab und unser Zug erschien wieder auf der Anzeigetafel. Wenige Minuten später verschwand er wieder von der Tafel und die Einfahrt eines RE wurde angekündigt, der dann auch kurze Zeit später kam. Er fuhr dann wieder aus und schwupps war es schon 15:20 Uhr und mein ICE sollte inzwischen 15:25 Uhr abfahren. So wird das doch nichts.
„Pling“, machte der Navigator: Abfahrt 15:45 Uhr. Sauber, eine Stunde Verspätung und das schon wieder am Startbahnhof.

Durchsage: Der ICE fährt jetzt am Gleis 7 ab, nicht am Gleis 6. Na, bloß gut. Also eine 180°-Wende und 5 Schritt nach vorn gemacht. Das war ja einfach.
Er kommt, wird geentert und fährt jetzt 2 Minuten zu früh ab, also nur 59 Minuten verspätet, wollte ich schreiben.
Die Bahn ist aber immer für einen Scherz gut, denn der Navigator weist für die Fahrt, am Zielbahnhof in Dresden trotzdem nur sechs Minuten Verspätung aus.

Das ist ein ambitioniertes Ziel, der Marke Tiefflug oder so. Es sollen alle Zwischenstationen angefahren werden. Das kann nicht funktionieren.

Bahnmathematik! Fahrtzeit 4 Stunden 46 Minuten, Ausstieg in 3 Stunden49 Minuten. Zeitdilatation! Zwar nur Bruchteile der Lichtgeschwindigkeit, aber ob das die Gleise und die Radreifen aushalten.

Wenige Minuten nach der Abfahrt wird das Ticket kontrolliert. Vorab gibt es aber ein Stück Schokolade und den Hinweis auf kostenlos bereitgestelltes Wasser im Bistro. Ehrlich, mir wäre nach anderthalb Stunden Bahnsteig eher nach einem heißen Tee gewesen. Sei es drum, die Schokolade schmeckt und die Begleiterin offeriert mir, dass ich in Leipzig leider den Zugteil wechseln müsste, weil meiner außerplanmäßig in Leipzig verbleiben würde. Ich nahm es gelassen, die Stunde könnte ich notfalls auch im Bistro stehen, spätestens ab Erfurt tut mir sowieso der Hintern weh.
Die Ruhe mit der ich die Botschaft aufnahm, veranlasste die Schaffnerin, mir noch ein Stück „Lieblings-Gast-Schokolade“ zu offerieren. Ich nahm dankend an.

Wir erfuhren auch den Grund für die einstündige Verspätung. In Frankfurt hatte es eine Suizid-Androhung gegeben, weswegen alle Züge vor und im Bahnhof warten mussten. Und bis der Stau aufgelöst war, war eben eine Stunde um.

Ob es an meiner Liebenswürdigkeit lag oder zum normalen Service gehört, kann ich nicht mehr sagen, aber kurz vor Eisenach war sie wieder da und teilte mir mit, dass ich doch nicht umsteigen müsse. Aktuell würde der Zug wieder komplett nach Dresden fahren. Das „aktuell“ untermalte sie mit einem Augenzwinkern. Es ist herzerwärmend, wie sich Bahnreisende und -bedienstete verstehen.
Etwas Schlummern und Gotha ist erreicht. Durchsage unseres (Tatsache!) niederländisch-stämmigen Ansagers (Der klang wirklich wie Rudi Carell.) ob denn eventuell ein Polizist an Bord sei, der mal in den Wagen 21 kommen könne. Man habe wieder „liebe“ Gäste an Bord. Auweia.
In Erfurt dann die offizielle Mitteilung, dass der Zug im Stück nach Dresden fährt. Schade, wird doch nichts mit dem Bistro. Ich durfte doch, faulerweise, auf meinen vier Buchstaben sitzen bleiben.
Ach so, die App hatte inzwischen die Ankunftszeit auf 20:27 Uhr korrigiert. Das wäre recht fies, denn 57 Minuten Verspätung wären ja nur die kleine Entschädigung.
Aber was machte ich mir Sorgen. Zwischen Leipzig und Riesa kamen die erforderlichen drei Minuten noch hinzu.
Schon wieder ein Gutschein von der Deutschen Bahn.
Ich mag das.

15.11.23 – Mein erster Streik

Es sollte mein erstes direktes Streikerlebnis werden. Der Klaus von der GDL hatte am Dienstag kurzerhand verkündet, dass man ab dem Mittwoch (meinem Reisetag) um 22:00 Uhr streiken würde.

Mmh, hieß das, ab 22:00 Uhr fahren keine Züge mehr ab, oder um 22:00 Uhr bleiben alle Züge stehen?
Am Mittwoch teilte mir der Navigator mit, mein Zug fiele schon vorher aus, wegen Reparatur. Nein, doch nicht, nur würde er erst ab Leipzig fahren und dann auch nur bis Frankfurt.

Ankunft in Frankfurt 21:03 Uhr, Abfahrt S-Bahn 21:35 Uhr: Hui, das könnte knapp werden, denn die Ankunft der S-Bahn war für 22:10 in Wiesbaden geplant. Das hieße je nach Auslegung: „normal Ankommen“, „Stranden in Mainz“ oder „Stranden in Frankfurt“.
Mainz machte mir jetzt keine Angst, da gibt es Busverbindungen und Brücken über den Rhein, da muss ich nicht schwimmen, aber eine Nicht-Zug-Verbindung nachts von Frankfurt nach Wiesbaden kam mir ziemlich tricky vor, zumal ich mir in den Nahverkehrs-Netzen dieses Ballungsraums verloren vorkam.
Die Chance auf eine Beratung und Hilfe, war angesichts der Menge der Hilflosen sicher auch nicht schnell und einfach zu kriegen.

Aber der Reihe nach.

Der Navigator hob die Zugbindung auf und mir war es nunmehr erlaubt, mit allen verfügbaren Mitteln nach Wiesbaden zu kommen.
Als erstes also nach Leipzig. Der Ersatz ICE war pünktlich und kam auch pünktlich in Leipzig an. Aber der ICE nach Frankfurt war nicht sehen.

Moment, doch da steht ja ein verschämter halber ICE im Bahnhof. Der Ersatzzug für die paar Dresdner war doppelt so lang, wie das ICEchen, dass uns und „Millionen“ Leipziger nach Frankfurt bringen sollte. Also gut, ursprünglich war das Endziel ja Saarbrücken, aber der Zug würde in Frankfurt enden.
Das bestätigte leider meinen Verdacht, dass alle Züge nur bis 22:00 Uhr fahren würden, oder eben gar nicht mehr losfahren, wenn das Ziel nicht bis dahin erreicht werden kann.
Ich nahm meine Platz ein und wunderte mich etwas über eine Servietten-Phalanx oberhalb des Fensters. Ich überging es erst mal schulterzuckend, es gab auch keine Hinweise auf negative Vorkommnisse an meinem Platz.
Während wir durch den Südosten der Republik schuckelten, prüfte ich immer wieder meine Optionen. Ab etwa Erfurt fielen die Linien S1 und S9 aus und die S8 wurde auf stündlichen Fahrverkehr verkürzt. Das wäre relativ egal, dann wäre es etwas Wartezeit, aber ich würde noch nach Wiesbaden kommen.
Spätestens ab Bad Hersfeld war klar, auch keine S8 würde mehr den Bahnhof in Frankfurt verlassen. Aber die VIAS würde weiterfahren. Hoffnung.
Zwischen Bad Hersfeld und Fulda hielt die Serviettenphalanx dem Druck des Kondenswassers der Klimaanlage nicht mehr stand und steter Tropfen (von der Decke) nässte mein Bein, und meine rechte Körperhälfte.
Ich machte mich davon. Aber diesmal war der Zug wirklich extrem voll und ich blieb einfach im Bordbistro bei den „Verlorenen“ stehen.
In Fulda stieg ein junger Mann zu, Anfang der Zwanziger würde ich schätzen. Offenes Herz und offen kommunikationsfreudig.
Nach der Begrüßungsdurchsage, fiel ein Schatten auf sein Gesicht. „Fährt der Zug gar nicht nach Hannover?“ – „Nein, der fährt nach Frankfurt.“ – „Ach du Scheixxe, welche Station ist denn die nächste zum Aussteigen?“ – „Frankfurt Hauptbahnhof.“ – „OMG, wie, komme ich denn da heute noch nach Hannover?“ – „Mmhhh… Mit der Bahn jedenfalls nicht, die streikt ab 22:00 Uhr.“ – „Oh, dann lasse ich mich abholen, oder nehme einen Mietwagen, oder ich warte auf den ersten Zug.“
Das sind natürlich alles Optionen. Zumindest für den Zug konnte ich mitteilen, dass gegen 6:45 Uhr aktuell noch ein Zug nach Hannover fahren könnte, wenn er nicht zwischenzeitlich gecancelt werden sollte.
Er guckte noch nach Mietwagen und Carsharing und führte auch noch zwei Telefonate.
Einen Kräutertee später verabschiedete er sich und verschwand im Zug.
Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Reiseverlauf.

Mit reichlich Verspätung kamen wir in Frankfurt an. Der Bahnhof war fast leer, es war auch schon 21:45 Uhr. Alles zu, kaum Züge auf den Bahnsteigen und überwiegende Absenz von Menschen. Die Mitreisenden verstreuten sich ziemlich schnell und ich machte mich auf zu Gleis 23, weil dort um 21:55 Uhr mein VIA fahren sollte.
Es waren noch reichlich Menschen vor Ort und an der Anzeigetafel stand er auch.
Während des Wartens, hörte man ununterbrochen die Ansagen zu den ausgefallenen Fahrten.
Gegen 22 Uhr rollte er dann auch ein und alles nahm Platz im Inneren.
Ich hatte einen Sitzplatz direkt neben der Tür zum Führerstand und als unsere Zugführerin kam, hörte ich aus der Kanzel jede Menge Gespräch. Im einzelnen habe ich das nicht verstanden, aber mir schwante ob der Länge dieser Wortwechsel nichts gutes.
22:10 Uhr – „Liebe Fahrgäste, es tut mir sehr leid, aber ich darf den Bahnhof nicht mehr verlassen, da der Streik auch die Fahrdienstleitungen erfasst hat. Ich muss den Zug jetzt in das Depot bringen, und bitte Sie auszusteigen.“
Erst mal sammeln und überlegen, wie das Problem jetzt zu lösen sein könnte, aber es stellte sich keine rechte Idee ein, außer Übernachtung in Frankfurt.
Während ich so ganz langsam am Bahnsteig langtrotte und anderen zuhöre die Fahrgemeinschaften bilden wollen, oder die Information erstürmen wollen, erschallt es aus den Zuglautsprechern: „Liebe Fahrgäste. Bitte steigen Sie wieder ein, die Fahrdienstleitung hat die Fahrt freigegeben. Bitte wieder einsteigen!“.
Schwupps saß ich wieder drinnen. Keine Ahnung, wie viele Fahrgäste aus den vordersten Wagen inzwischen schon aus dem Bahnhof verschwunden waren, aber ich hatte das Gefühl, dass es doch etwas weniger waren, die den Wiedereinstieg absolviert hatten.
Manchmal zahlt sich Schnelligkeit doch nicht aus. Mein Gebummel rettet mir den Reiseabschluss in Wiesbaden.
Eine knappe Stunde später als geplant, komme ich in Wiesbaden an. Hier ist der Bahnhof leer, ratzeputz. Anzeigetafeln voller nicht mehr fahrender Züge. Am beeindruckendsten ist allerdings die Ruhe.
Gute Nacht, DB!

07.11.23 Berlin-Erfurt-Wiesbaden

Dieses mal hätte ich fast nichts berichten können, aber die Bahn lässt mich nicht im Stich.
Auf Grund von Terminänderungen hatte ich dieses Mal eine Reise mit fünf Landeshauptstädten. Gebucht war wie üblich von Dresden nach Wiesbaden, aber ein Projekt in Berlin erforderte meine unbedingte Teilnahme.
Die Reise startete als in Dresden und führte zuerst nach Berlin-Spandau. Danach von Berlin-Spandau nach Erfurt und dort wollte ich dann letztendlich meinen ICE nach Wiesbaden (über Mainz) entern. Ein straffer Zeitplan und im Detail durchgeplant.
Kurz nach 7:00 Uhr ging es in Dresden los. Entspannte Reise nach Berlin, pünktliche Ankunft und angenehmer, erfolgreicher Termin. Dann mit der U-Bahn wieder nach Spandau und den ICE von Hamburg nach München genutzt um nach Erfurt zu fahren. Ebenfalls perfekt, gerade mal eine Minute nach Plan.
Unterwegs habe ich beim Rumspielen im Navigator auch die Funktion zur reinen Sitzplatzreservierung wiedergefunden und die Schatten rückten näher.
Mir war klar, dass meine Reservierung ab Dresden spätestens 15 Minuten nach Abfahrt des Zuges erlischt, deshalb wollte ich in den sauren Apfel beißen und einen zweiten Sitzplatz buchen.
Also meinen Zug mit Abfahrtsort Erfurt eingegeben und auf Buchen gedrückt. Das Ergebnis… "Keine Sitzplätze, nutzen Sie bitte eine alternative Verbindung." Nette Idee, aber leider nicht realisierbar, ich wollte ja das Ticket nicht nochmal lösen.
Bei der Zugkontrolle offenbarte sich das Problem. In Leipzig wurde kein zweiter Zugteil angehängt, also akute Platznot.
Es kam, wie es kommen musste. Die Plätze und teilweise die Gänge gut belegt. Ich kämpfte mich durch die erste Klasse, keine Chance. Mein Platz natürlich besetzt von einer älteren Dame. Ich hatte zu viele Skrupel, um meine alte Reservierung frech vorzuzeigen und die Dame durch den Zug zu schicken. Also packte ich meinen Rucksack und tippelte los.
Im Speisewagen fiel kein Krümel zu Boden, nächster Wagen voll, übernächster auch. Dann im Wagen 23 ein Platz in zweiter Reihe. Also schnell den Rucksack drauf geworfen und den jungen Mann auf dem Nachbarsitz gefragt, ob denn der Platz noch frei sei. Er war unsicher, aber gutmütig. Da war es meiner.
Nun, bin ich eben mal ohne Reservierung gefahren, aber ich versuche das aber lieber nicht nochmal. Uff.
Den Eintrag zur Rückreise am nächsten Tag packe ich hier gleich mit ran. Außer das es voll war (trotz vollständigen Zuges), und wir zwischendurch immer mal ein paar Minuten Verspätung eingesammelt haben, war es perfekt. Pünktlich, netter Service, also eigentlich so, wie es immer sein sollte.