Diese Reise wird mir vermutlich längere Zeit in Erinnerung bleiben. Nach der Hinfahrt im Streikbeginn, war das nun die Rückfahrt am Tag nach dem Streikende. Natürlich konnte es nicht so funktionieren, wie normal. Wobei eigentlich war es doch normal. 😉

In Wiesbaden hüpfte ich in eine S-Bahn nach Frankfurt, weil die Bahn den ICE Wiesbaden-Dresden irgendwie im Herbst aus dem Programm nimmt. Keine Ahnung, ob das nun dauerhaft ist oder so wie letztes Jahre, wenn ich mich recht erinnere, nur für einen begrenzten Zeitraum. Mein ICE sollte um 14:44 Uhr in Frankfurt starten.
Die Nachwehen ahnend, machte ich mich lieber so auf den Weg, dass ich mindestens eine Stunde Reserve haben würde.
In Wiesbaden auf dem Bahnhof war dann auch deutlich mehr Leben, als am Ankunftstag. Wie erwartet, war der S-Bahn-Verkehr noch einigermaßen aus dem Takt und so nahm ich die erste S-Bahn Richtung Frankfurt. Damit sollte ich fast 50 Minuten vor Abfahrt in Frankfurt sein.
Natürlich nahm ich die Linie, die am längsten braucht, war ja klar. Und kurz nach dem Bahnhof Wiesbaden kamen wir auch schon gleich mal zum Stehen.
Das Polster war aber großzügig berechnet und so war ich zwar etwas verspätet, aber im Umsteigefenster in Frankfurt.
Wer den Frankfurter Hauptbahnhof kennt, weiss ja um die Strecke vom Tiefbahnhof (S-Bahn) zu den Bahnsteigen in der Halle. Auf Grund der Bauweise hat der Aufgang zum Bahnhof auch etwas Staupotential, wenn sich eine volle S-Bahn entlädt.
Man kann für den Umstieg auch mehr als 10 Minuten benötigen, wenn man am falschen S-Bahn-Ende sitzt und vielleicht nach Bahnsteig 24 – Abschnitt E-F muss. Mit Treppenstau auch gern noch ein paar Minuten mehr.

Ich hatte einigermaßen Glück und stand gegen kurz vor Zwei an meinem Bahnsteig. An der Tafel stand allerdings noch ein Zug nach „Irgendwo“ mit Abfahrtszeit 14:06 Uhr. Kann ja mal passieren. Er kam irgendwann und fuhr auch wieder ab. Da war es dann aber auch schon 14:40 Uhr. Okay, das würde wieder etwas später losgehen.
14:50 Uhr hielt wieder ein ICE am Bahnsteig , aber wieder nicht meiner. Durchsage: Mein ICE würde etwa 20 Minuten später abfahren.

Hab ich es nicht gesagt?! Grund der Verspätung: Eine behördliche Maßnahme. Was ist das denn?
Dann fuhr der falsche ICE wieder ab und unser Zug erschien wieder auf der Anzeigetafel. Wenige Minuten später verschwand er wieder von der Tafel und die Einfahrt eines RE wurde angekündigt, der dann auch kurze Zeit später kam. Er fuhr dann wieder aus und schwupps war es schon 15:20 Uhr und mein ICE sollte inzwischen 15:25 Uhr abfahren. So wird das doch nichts.
„Pling“, machte der Navigator: Abfahrt 15:45 Uhr. Sauber, eine Stunde Verspätung und das schon wieder am Startbahnhof.

Durchsage: Der ICE fährt jetzt am Gleis 7 ab, nicht am Gleis 6. Na, bloß gut. Also eine 180°-Wende und 5 Schritt nach vorn gemacht. Das war ja einfach.
Er kommt, wird geentert und fährt jetzt 2 Minuten zu früh ab, also nur 59 Minuten verspätet, wollte ich schreiben.
Die Bahn ist aber immer für einen Scherz gut, denn der Navigator weist für die Fahrt, am Zielbahnhof in Dresden trotzdem nur sechs Minuten Verspätung aus.

Das ist ein ambitioniertes Ziel, der Marke Tiefflug oder so. Es sollen alle Zwischenstationen angefahren werden. Das kann nicht funktionieren.

Bahnmathematik! Fahrtzeit 4 Stunden 46 Minuten, Ausstieg in 3 Stunden49 Minuten. Zeitdilatation! Zwar nur Bruchteile der Lichtgeschwindigkeit, aber ob das die Gleise und die Radreifen aushalten.

Wenige Minuten nach der Abfahrt wird das Ticket kontrolliert. Vorab gibt es aber ein Stück Schokolade und den Hinweis auf kostenlos bereitgestelltes Wasser im Bistro. Ehrlich, mir wäre nach anderthalb Stunden Bahnsteig eher nach einem heißen Tee gewesen. Sei es drum, die Schokolade schmeckt und die Begleiterin offeriert mir, dass ich in Leipzig leider den Zugteil wechseln müsste, weil meiner außerplanmäßig in Leipzig verbleiben würde. Ich nahm es gelassen, die Stunde könnte ich notfalls auch im Bistro stehen, spätestens ab Erfurt tut mir sowieso der Hintern weh.
Die Ruhe mit der ich die Botschaft aufnahm, veranlasste die Schaffnerin, mir noch ein Stück „Lieblings-Gast-Schokolade“ zu offerieren. Ich nahm dankend an.

Wir erfuhren auch den Grund für die einstündige Verspätung. In Frankfurt hatte es eine Suizid-Androhung gegeben, weswegen alle Züge vor und im Bahnhof warten mussten. Und bis der Stau aufgelöst war, war eben eine Stunde um.

Ob es an meiner Liebenswürdigkeit lag oder zum normalen Service gehört, kann ich nicht mehr sagen, aber kurz vor Eisenach war sie wieder da und teilte mir mit, dass ich doch nicht umsteigen müsse. Aktuell würde der Zug wieder komplett nach Dresden fahren. Das „aktuell“ untermalte sie mit einem Augenzwinkern. Es ist herzerwärmend, wie sich Bahnreisende und -bedienstete verstehen.
Etwas Schlummern und Gotha ist erreicht. Durchsage unseres (Tatsache!) niederländisch-stämmigen Ansagers (Der klang wirklich wie Rudi Carell.) ob denn eventuell ein Polizist an Bord sei, der mal in den Wagen 21 kommen könne. Man habe wieder „liebe“ Gäste an Bord. Auweia.
In Erfurt dann die offizielle Mitteilung, dass der Zug im Stück nach Dresden fährt. Schade, wird doch nichts mit dem Bistro. Ich durfte doch, faulerweise, auf meinen vier Buchstaben sitzen bleiben.
Ach so, die App hatte inzwischen die Ankunftszeit auf 20:27 Uhr korrigiert. Das wäre recht fies, denn 57 Minuten Verspätung wären ja nur die kleine Entschädigung.
Aber was machte ich mir Sorgen. Zwischen Leipzig und Riesa kamen die erforderlichen drei Minuten noch hinzu.
Schon wieder ein Gutschein von der Deutschen Bahn.
Ich mag das.